Haushaltsrede der Initiative Oerlinghausen zur Ratssitzung am 3.3.2022

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Becker,            

sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung,              

liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger im Zuschauerraum,    

sowie Vertreter der Presse und zuletzt auch werte Ratskolleginnen und -kollegen,

 

die Initiative Oerlinghausen stellt die jüngste Ratsfraktion der Stadt Oerlinghausen dar und darf daher erwartungsgemäß die Haushaltsreden zum Doppelhaushalt abschließen. Nach vier vorhergegangenen Haushaltsreden, möchte ich ihre Konzentration nicht zu sehr mit sich wiederholendem Zahlenmaterial beanspruchen, ihnen aber sehr wohl unseren Standpunkt und unsere Sicht auf den Haushalt näherbringen.

 

Die Haushaltsbesprechungen fanden ihren Anfang in der Ratssitzung vom 11.11.2021 und enden heute am 03.03.2022. Dies sind – weil leicht zu merken – zwei typische Vermählungstermine, doch wirklich binden, würden wir uns an den geplanten Doppelhaushalt nicht.

 

Die Zeitspanne definiert allerdings auch die sogenannte fünfte Jahreszeit, die gestern mit dem Aschermittwoch endete. Eigentlich wäre dies ein geeigneter Anlass gewesen, unsere heutige Haushaltsrede in einer Büttenrede zu verpacken – aber nur eigentlich.

Denn auch unser Weltbild hat vor genau einer Woche Risse bekommen und sich gänzlich verändert. Die Situation bietet aktuell keinen Raum für eine Rede die unterhält, sehr wohl aber für eine Rede die informativ ist. Herr Becker, vor genau einer Woche fanden Sie die richtigen Worte, als Sie anmerkten, dass Oerlinghausen nur eine kleine Stadt sei und auf internationaler Ebene keine Bedeutung habe, es dennoch angezeigt sei, sich für die Unverletzlichkeit eines souveränen Staates einzusetzen. Vielen Dank dafür.

Im Gegensatz zu vorherigen Fraktionen, die zu Beginn erstmal ausgiebig der Verwaltung zu der geleisteten Arbeit zum Doppelhaushalt gedankt haben, möchten wir diese Danksagung vorerst aussetzen und erläutern später auch warum.

 

Ja, Oerlinghausen ist klein, für unsere Bürgerinnen und Bürger ist diese Stadt und ihre Entwicklung von umso größerer Bedeutung. Die Zukunft von Vielen, liegt in den Händen von Wenigen.

 

Bei den Haushaltsreden zum letzten Doppelhaushalt, saßen wir noch auf der anderen Seite, im Zuschauerbereich. Die Perspektive hat sich nun geändert, die Informationsbasis ist eine ganz andere und hinzu kommt die Verantwortung für die aktuellen und auch zukünftigen Generationen. Womit wir auch schon beim ersten Ansatz des zu verabschiedenden Doppelhaushaltes wären.

Wie bereits im Vorfeld kommuniziert und prognostiziert, ist auch dieser Doppelhaushalt nicht ausgeglichen, sondern weißt Defizite in Summe von über 4 Mio. Euro auf. Die Mittel sind so weit ausgereizt, dass kein weiterer Spielraum gegeben ist und man zugleich auf eine Genehmigungsfähigkeit setzt. »Ganz knapp auf Kante genäht«, würde man umgangssprachlich sagen.

 

Die Prognosen für die darauffolgenden Jahre sollen allerdings entgegengesetzt sein. Das verwundert uns doch sehr, bei stetig steigenden Umlagen, Kosten durch die Coronakrise und Ausgabenzuwächse in allen Bereichen und diese werden noch weiter ansteigen. Denn – und auch das gilt zu beachten – wurde vom Land NRW ein Verfahren eingeführt, durch das sich zwar die pandemiebedingten Kosten isolieren und somit nicht haushaltswirksam machen lassen, doch ist dies nichts anderes als Augenwischerei. Denn dieser isolierte Beitrag von ca. 1 Mio. Euro ist nicht neutralisiert, die Abschreibungen dafür erfolgen erst ab dem Jahr 2025, so dass diese Kosten den städtischen Haushalt nachträglich belasten. Es handelt sich somit um eine Verschiebung in die Zukunft und dies zu Lasten der kommenden Generationen – Abschreibungen die bis zu 50 Jahre möglich sind und deren Ablösung wir somit nicht mehr miterleben werden!

 

Hoffen wir das die Verwaltung mir ihrer positiven Prognose recht behält, allerdings lässt sich auf dem Prinzip »Hoffnung« keine Stadtentwicklung aufbauen. Daher muss man auch immer schauen, ob wir ein Einnahme- oder Ausgabeproblem haben und kommen somit zum nächsten wichtigen Kernpunkt: der grundlegenden Finanzierung!

 

Die Haupteinnahmequellen der Stadt sind die Anteile an der Einkommenssteuer, die Gewerbesteuer und die Grundsteuern. Es ist löblich das hier auf weitere zeitnahe Erhöhungen verzichtet werden konnte, doch auch hier muss einiges passieren.

Um die Einnahmequellen positiv zu beeinflussen, dabei aber weiterhin Steuererhöhungen zu vermeiden, müssen wir die Attraktivität der Stadt fördern und einen Bevölkerungszuwachs forcieren. Hier werden Neubaugebiete weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

 

Auf der anderen Seite muss aber auch die Gewerbesteuer in den Fokus rücken. Die Einnahmen könnten hierbei durch neue Firmen und Unternehmen erhöht werden. Es sind nicht mehr nur die produzierenden Unternehmen mit großem Flächenbedarf in Industriegebieten, die hohe Umsätze und Gewinne einfahren. Die Welt ist digital und die Arbeitsplätze verlagern sich weiterhin ins World Wide Web, mit möglichen Internetanschluss in Oerlinghausen. Unternehmen mit ein paar Büroräumen, erwirtschaften teilweise so viel, wie Unternehmen mit weltweiten Produktionsstandorten. Oerlinghausen wird niemals zu einem »Silicon Valley« werden, hat aber als angrenzende Stadt des immer teurer werdenden Bielefelds, das Potential zu einer »binären Bergstadt«.

 

Sie sehen, neben dem laufenden Geschäft und großen Projekten, gibt es weitere wichtige Aufgaben, die es seitens der Verwaltung anzugehen gilt. Genau hier sehen wir allerdings beim aktuellen Haushalt ein Problem. Aufgrund der aktuellen Handlungsunfähigkeit – denn der Haushalt muss erst von der Kommunalaufsichtsbehörde genehmigt werden – und um den Haushalt genehmigungsfähig zu machen, wurden einige Projekte von diesem ins nächste Jahr verschoben. Es bleibt abzuwarten, inwiefern es der Verwaltung gelingen wird, diese Aufgaben- und Arbeitsbelastung zu stemmen und die geplanten Projekte umzusetzen. Bleibt zu hoffen, dass im nächsten Jahr – wie in 2021 – nicht noch eine Haushaltssperre notwendig ist. Dann wären wir dem nächsten Aschermittwoch, an dem alles vorbei ist, näher als uns lieb ist.

 

Ja, wir sehen den Haushalt kritisch und ein Votum dagegen ist genauso begründbar, wie ein Votum dafür. Doch wie ich im Vorfeld erläutert habe, sind viele Parameter vorgegeben und Maßnahmen einfach nicht verschiebbar, ein großer Teil davon ist nun mal der Erhaltungs-aufwand für die Gebäude. Die Konsequenz könnte sein, dass man zwar meint aus einem Dornröschenschlaf erwacht zu sein, dies aber in einen Sanierungsalbtraum münden könnte. Wer nur verwaltet statt gestaltet, wird am Ende seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren – dies gilt in der Wirtschaft genauso wie bei Kommunen. Dabei möchten wir nicht außen vorlassen, dass es dennoch einige Gestaltungsmöglichkeiten u.a. bei den ISEK-Projekten, dem Er-weiterungsbau der Grundschule Helpup und dem Straßen- bzw. Radverkehr gibt, die wir sehr begrüßen. Der Gestaltungsspielraum des Haushaltes wird allerdings nur eingeschränkte Möglichkeiten bieten, um auf Unvorhergesehenes flexibel und angemessen zu reagieren – und das für mehr als 20 Monate.

 

Hinzu kommt, das einzelne Vorhaben – darunter auch größere Projekte wie das Sporthaus vom TuS Helpup – nur umsetzbar sind, wenn entsprechende Fördermittel zugesagt werden. Bleiben diese aus, tut sich für die nächsten Jahre an einzelnen Stellen nichts. In diesen Fällen ist politische Flexibilität und Willen gefragt. An diesen Willen gilt es im Eventualfall zu appellieren. Aber auch das Wort des Bürgermeisters – bei nicht ausreichendem Budget für einzelne Projekte einen Weg zu finden – werden wir einfordern, wenn es notwendig ist.

 

Ein Blick auf die Haushaltsreden vom letzten Mal zeigt, dass die Halbwertszeit einzelner Aussagen äußerst gering sein kann. Wurde in der letzten Haushaltsrede die Mobilitätsstation seitens der SPD noch als Perspektive gesehen, beantragte dieselbe Fraktion zu diesem Haushalt die Streichung. Doch auch hier wurden letztendlich Kompromisse gefunden.

 

Dieser Stadtrat ist nun gut 1 ½ Jahre im Amt. Unsere Anträge bei den Haushaltsplanungen zielten auf einzelne Projekte und die Förderung von Gemeinschaft ab, trugen dazu bei das die schulischen Belange und Wünsche der Schüler:innen berücksichtigt wurden und regten zu Diskussionen an. Neben anteiliger Blockadepolitik, Neiddebatten und der Modifikation (man könnte auch sagen »Adaption«) unserer Anträge, erlebten wir viele Facetten der lokalen Politik, getrieben durch vereinzelte Personen. Vieles ist daher so gekommen, wie es zu erwarten war. Jedoch sind der grundlegende Ton und der Umgang mit der Verwaltung immer offen und ehrlich. Gerne nehmen wir auch das eben ausgesprochene Gesprächsangebot der SPD an, um deren Unterstellungen zu erörtern. Denn wir lassen Meinungen off- wie auch online zu.

 

Hilfreich war es, dass Bürgermeister und Fachbereichsleiter bei vielen Diskussionen etwaige Kompromisse eingeleitet haben, so wie es beispielsweise bei den Schulbudgets der Fall war. Die Kompromissbereitschaft war generell bei allen Fraktionen vorhanden, so dass Anträge mit Zustimmung modifiziert oder verschoben wurden. Ein Dank daher an alle Ratskolleginnen und -kollegen, die sich diesbezüglich besonders hervorgetan haben.

 

In einer Zeit in der ein symbolischer Zusammenhalt zunehmend an Bedeutung gewinnt, stimmen wir heute für den Doppelhaushalt, um möglichst zeitnah mit der eigentlichen Arbeit beginnen zu können und keinen weiteren Aufschub zu riskieren. Wir möchten aber zugleich darum bitten, dass zukünftige Planungen für einen Haushalt früher beginnen und abgeschlossen werden. Eine Anregung, die man der zukünftigen Kämmerin oder dem zukünftigen Kämmerer mit auf dem Weg geben sollte.

 

Meinen Dank möchte ich zuletzt dennoch aussprechen und zwar an alle, die daran mitwirken das unsere Stadt so lebenswert ist. Dies schließt zu einem großen Teil die vielen ehrenamtlich Tätigen in den vielen gemeinnützigen Vereinen ein. Diese erscheinen nicht wirklich im Doppelhaushalt, da diese Tätigkeiten in aller Regel unentgeltlich durchgeführt werden. Sie alle können sich unserer Unterstützung sicher sein – ergreifen Sie auch weiterhin die Initiative für ihre Stadt. Wozu Oerlinghausen fähig ist, zeigt das Engagement in der Krise, welches wir bei der Flutkatastrophe im letzten Jahr erleben durften und wie es jetzt bei der aktuellen Ukraine-Krise erneut vorgelebt wird.

 

Wie beschrieben, schauen wir optimistisch und dennoch kritisch behaftet auf den Haushalt der nächsten zwei Jahre, vor allem aber werden wir ganz genau bei der Umsetzung hinschauen. Denn das wird eine der maßgeblichen Aufgaben des Rates für den Doppelhaushalt sein: die Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung zur Umsetzung der gefassten Beschlüsse. Die Initiative ist praktisch veranlagt und daher ist der Verwaltung unsere Hilfe gewiss. Dass sollten sie wissen und das tun sie sicher auch.

Warum also noch kein Dank – weil aufgeschoben nicht aufgehoben ist. Natürlich schätzen auch wir die Vorbereitungen der Verwaltung, doch letztendlich wurde bisher nur die Vorarbeit gemacht – dies zeichnet ein gutes Handwerk aus. Nun gilt es aber die Arbeiten auszuführen und umzusetzen.

 

Lassen Sie uns die besten Wege für das Wohl unserer Stadt und seiner Bürger:innen einschlagen. Genau das macht unsere Bergstadt letztendlich aus: Auch wenn es mal bergab geht, geht es irgendwann auch wieder bergauf.

Lassen Sie uns positiv, aber wachsam bleiben.

 

Denn letztendlich und damit schließe ich sinnbildlich auch meine Ausführungen ab: »Wem das Wasser bis zum Halse steht, der darf nicht noch den Kopf hängen lassen.«

 

Vielen Dank!

 

Haushaltsrede hier zum Download 

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