Chance vertan - Agnes-Miegel-Weg wird nicht umbenannt

Für die Umbenennung stimmten der Bürgermeister, Bündnis 90/Die Grünen Oerlinghausen und die Initiative Oerlinghausen. Unisono stimmten die Ratsmitglieder der SPD, CDU und FDP gegen eine Umbenennung des Agnes-Miegel-Wegs.

 

Danach wurde mit Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen Oerlinghausen und der Initiative Oerlinghausen der Schilderentwurf der drei vorgenannten Fraktionen beschieden.

 

 

8. Sitzung des Rates der Stadt Oerlinghausen am 3.3.2022

TOP 5 a-e Umbenennung Agnes-Miegel-Weg

 

Stellungnahme der Initiative Oerlinghausen

 

Zu der Thematik kann, darf und wird es verschiedene Meinung geben!

 

Jedoch steht für uns eine Option nicht zur Diskussion – die Enthaltung! Im Zusammenhang mit dem Gesamtkontext, stellt dies für uns keine Meinung dar.

 

In unserem – bei der letzten Ratssitzung - vorgestellten Verfahrensvorschlag, haben wir auf Bürgerbeteiligung gesetzt. Ein bedeutender Schwerpunkt lag auf dem Einbezug der betroffenen Bürger:innen, hätte aber auch gerne auf die gesamte Stadt ausgeweitet werden können: Mit den Bürger:innen zusammen, statt über deren Köpfe hinweg. Wir sind uns sicher, dass unsere Mitbürger:innen über ein ausgeprägtes Feingefühl und auch über ein umfangreiches, moralisches Wertegefühl verfügen, um eine entsprechende Entscheidung mitzugestalten und vor allem mitzutragen. Da uns eine Umbenennung wahrscheinlich erschien, hatten wir bereits Optionen in unserem Verfahrensvorschlages berücksichtigt. Die Mittel dafür wären gegeben, die Kosten überschaubar – nur der Wille dies als gangbare Alternative zu sehen, der fehlte!

 

Stattdessen gab es eine andere Alternative zur Umbenennung, sozusagen ein modifizierter Beibehalt der IST-Situation: Ein Schild sollte her! Ein erklärender Text und dazu eventuell noch ein ergänzender Data-Matrix-Code als Ergänzung für noch mehr Ergänzungen. Die Idee ist nicht neu, wurde Sie doch bei der letzten Debatte zu diesem Thema seitens der Grünen forciert. Das ist bereits 10 Jahre her – Meinungen, Sichtweisen und Situationen ändern sich!

 

Daher ist Flexibilität gefragt. Der erste Textvorschlag seitens der SPD, der nun in leicht abgeänderter Form auch von CDU und FDP mitgetragen wird, stieß von Anfang an bei uns nicht auf Begeisterung. Es las sich nicht wie ein Text der Mahnung und schonungslosen Aufklärung, sondern wie eine peinlich-berührte Erklärung, die vielmehr sogar wie eine Entschuldigung für die Namensgebung wirkte.

 

Doch wollten wir uns dieser Alternative nicht verwehren und haben uns selbst an einer möglichen Formulierung herangetastet. Lassen Sie mich kurz unsere Variante für ein Schild vorstellen:

 

Agnes Miegel (1879 - 1964)

Dieser Weg wurde 1982 nach der deutschen Dichterin benannt. Agnes Miegel steht in der Kritik, weil sie ein Mitglied der NSDAP war, sowie von 1933 bis 1945 den Nationalsozialismus aktiv und mit einer befürwortenden Haltung vertreten hat. Zudem unterschrieb sie 1933 das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler. Auch nach 1945 distanzierte Agnes Miegel sich nicht vom Nationalsozialismus.

 

2022 beschloss der Gemeinderat der Stadt Oerlinghausen öffentlich auf die Kritik an ihrer Person hinzuweisen. Auf eine Wegumbenennung wurde deshalb verzichtet.

 

Soviel zu unserer Textausarbeitung, die wir letztendlich nicht als Vorschlag einbringen werden. Ein Zusatzschild mit solchen Worten ändert nichts an der Diskussion, wird auch sicherlich nicht verhindern, dass wir in ein paar Jahren wieder zusammenkommen, um erneut über eine Umbenennung zu diskutieren und dafür oder dagegen zu stimmen.

 

Eine Namensgebung ist eine Ehrung, ein Zusatzschild wird oftmals auch dafür genutzt, um auf einen Verdienst (z.B. Nobelpreis) oder einen besonderen Werdegang hinzuweisen. Dies als Mahnung oder Versöhnung zu verstehen, ist sehr kritisch zu sehen. Ich bin in den 80ern geboren, eine Versöhnung steht mir nicht zu. Lassen Sie mich ein paar Namen nennen, die uns weniger geläufig sind, wie der von Agnes-Miegel: Heinrich und Irma Herz, Eduard und Else Kulemeyer, Hedwig Loewenthal, Dr. Max Meyer, Hans Windmüller, Gustav Koch, Fritz Kollmeier…

 

All dies sind in Oerlinghausen geborene oder verschleppte Bürger:innen, die in dieser Zeit Opfer eines Regimes wurden, welches eben auch von Agnes-Miegel unterstützt wurde. Diesen Menschen wurde jegliche Möglichkeiten - auch die der Versöhnung - genommen und es wäre angebrachter diese Namen in Ehren zu halten, statt einen Namen beizubehalten, der immerzu für Kritik sorgen wird.

 

In absehbarer Zeit soll in Helpup ein Neubaugebiet entstehen. Eine Folge dessen wird sein, dass neue Straßennamen ausgewählt werden müssen. Eine Möglichkeit für noch mehr Versöhnung und Mahnung? Nach welchen Prominenten aus beispielweisem Film, Sport oder Kultur, die ebenfalls Mitglied der NSDAP waren und sich in die Dienste des Nationalsozialismus gestellt haben, wollen wir dann diese Straßen benennen und ein Infoschild aufstellen? Die Antwort wird sein: Nach gar keinem – ganz einfach, weil es sich falsch anfühlt! Und warum? Weil wir heute wissen, dass es ein Fehler ist.

 

Wenn wir also wissen das dies ein Fehler ist, dass wir vor gut 40 Jahren mit der Namensgebung einen Fehler gemacht haben, warum dann nicht hier und jetzt diese Fehler beheben, statt ihn nur zu kaschieren?

 

Wir möchten das Kapitel für die Schriftstellerin Agnes Miegel hiermit endgültig abschließen und sehen darin die Chance, ein neues Kapitel für Oerlinghausen aufzumachen. Daher werden wir heute für eine Umbenennung stimmen.

 

Vielen Dank!

 

HIer das PDF zum Download:

Agnes Miegel black